Entwicklung kostengünstiger Aufbautechniken für die Anwendung in 77 GHz Automotive Cruise Control Systemen
Abb. 1: Beispiel eines 77 GHz-Überganges in Flip-Chip-Technologie mit "Radial Stubs" (links), Messergebnisse für "Radial Stub" und "Rectangular Transformer" (rechts)
Radar-Systeme im 77 GHz-Bereich sind in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Bestandteil in modernen Automobilen geworden, die den Fahrkomfort und die Fahrsicherheit erhöhen. Sie überwachen, kontrollieren und steuern die Fahrsituation, meist in Fahrtrichtung teils aber auch zur Seite und unterstützen bei Nahbereichsaufgaben wie etwa beim Einparken oder Spurwechsel.
Ein wesentlicher Kostenpunkt im Design solcher Systeme ist der Aufbau und die Kombination verschiedener Funktionen, speziell im Frontend-Bereich (Antenne, Mischer). Dies wird noch verstärkt in neueren und weiter entwickelten Radar-Konzepten, in denen mittels eines Arrays von Antennen eine bessere, genauere und schärfere Ausrichtung des Radarstrahls erfolgt. Damit kann die Auflösung der Umgebung so erhöht werden, dass sich Details erkennen lassen. Dadurch bedingt steigt die Komplexität des Einzelaufbaus sowie auch die Anforderungen an das Gesamtsystem, unter anderem die Wellenleiterführung für die Hochfrequenzsignale. Eine kostengünstige Aufbaumethode ist dann von großem Vorteil.
In der Aufbautechnik solcher Schaltungen bietet der LTCC-Prozess interessante Möglichkeiten, weil er fast beliebige Leitungsführungen kostengünstig ermöglicht. Ein LTCC-Substrat besteht aus mehreren Keramiklagen, zwischen denen gewünschte Metallisierungsflächen und Leitungen (horizontal) eingelegt sind, die durch Vias (vertikal) miteinander verbunden werden können. Chips werden in der Regel auf den LTCC-Träger positioniert. Eine vorteilhafte Methode ist der Flip-Chip-Prozess, bei dem der Chip umgedreht (also mit der aktiven Seite zur LTCC-Oberfläche) mit dem Leitersystem (Pads) auf dem LTCC-Träger durch Bonden fest verbunden wird. Dieses Verfahren hat gute Hochfrequenzeigenschaften und bietet bei hohen Stückzahlen eine kostengünstige Variante. Allerdings sind bei 77 GHz viele der aufzubauenden Teile elektrisch nicht mehr klein und das erfordert umfassende Entwicklungsuntersuchungen, um verschiedene elektrische Effekte zu verstehen und im Aufbau die erforderlichen Eigenschaften erzielen zu können.
In einer Kooperation mit der Firma Delphi Electronics and Safety, Kokomo, USA, hat sich das FBH u.a. mit einem solchen Kundenproblem beschäftigt und erfolgreich eine Konstruktion des HF-Signalüberganges für eine 77 GHZ-Anwendung entwickelt. Das Spezielle an dieser Aufgabenstellung ist die Kombination verschiedener, gleichzeitig zu berücksichtigender Effekte. Erstens können die Dimensionen der Pads und der metallischen Flächen nicht unter typisch 100 µm liegen. Auch die Abstände zwischen den Metallisierungen müssen mindestens so groß sein. Dies führt dazu, dass die Gesamtbreite eines solchen Überganges elektrisch in der kritischen Größenordnung einer halben Wellenlänge bei 77 GHz liegt. In solchen Fällen kann es zu starken parasitären Effekten kommen. Zweitens wird ein kostengünstiger Aufbau erwartet. Eine Möglichkeit dabei ist die Anzahl der Vias zu minimieren. Eine Masseverbindung in tiefere Lagen des LTCC-Aufbaus ist aber notwendig. Man kann dies virtuell mit einer gewissen Bandbreite durch sogenannte "Radial Stubs" erreichen, die allerdings flächenmäßig größer als Vias sind, aber eben kostengünstig planar im Kontext der anderen Metallisierungsflächen aufzubauen sind. Der dritte Punkt ist die Forderung nach einem kompakten Design. Der "Radial Stub" als Einzelelement würde relativ viel Platz außerhalb des Chipbereiches benötigen. Um aber kompakter zu werden, lässt sich dieses Element auch in den Chipbereich schieben. Allerdings wird dadurch sowohl seine elektrische Eigenschaft als auch umgekehrt die des Chips beeinflusst und es sind Modifikationen gegenüber dem Standardaufbau notwendig.
Abb. 1 zeigt die Lösung für dieses Problem unter Anwendung eines "Radial Stub". Eine Weiterentwicklung mit rechteckförmigem Pad bietet ebenfalls eine große Bandbreite, liefert aber zusätzlich eine deutlich bessere Isolation. Eine gute Isolation wird erreicht, wenn zwischen zwei Hochfrequenzanschlüssen eines Chips, die nicht miteinander verbunden sind, möglichst wenig verkoppelt wird. Dies ist von großer Bedeutung, weil es sonst zu unerwünschten Effekten und gestörten Signalen kommt. Abb. 2 zeigt eine Ansicht des elektrischen Feldes in einem solchen Aufbau mit Testchip. Man kann hier einen typischen Effekt in Hochfrequenzaufbauten erkennen. Es handelt sich um die Ausbreitung einer Oberflächenwelle auf der vom Betrachter zu sehenden Chipunterseite (Abb. 2 links). Sie ist hier schwach ausgeprägt, lässt sich kaum unterdrücken und ist eine von vielen parasitären Effekte, die zu störendem Nebensprechen führen.
Publikation:
F.J. Schmückle, U. Pursche, W. Heinrich, Joe Purden, "A 77 GHz Broadband Flip-Chip Transition on LTCC Submount," IEEE MTT-S Int. Microwave Symp.Dig., vol. 1, 2010, pp. 453-456.
FBH-Forschung: 25.01.2011