3.6 Simulationsrechnungen mit ATLM

Dieses Kapitel ist in zwei Bereiche aufgeteilt. Zunächst werden die Teststrukturen gezeigt, die bei der Entwicklung der ATLM-Methode notwendig waren, um die Streumatrizen der Kantenknoten und die zugehörigen Feldabbildungsmatrizen zu testen. Im zweiten Abschnitt sind Anwendungsbeispiele gezeigt, deren Eigenschaften mit ATLM berechnet wurden.

3.6.1 Teststrukturen

Die Eigenschaften der Teststrukturen müssen theoretisch genau bekannt sein, um die Simulationsresultate zuverlässig bewerten zu können. Untersucht wird die ATLM-Methode bei der Simulation der Wellenausbreitung in einer Parallelplattenleitung mit magnetischen Seitenwänden und einem Rechteckhohlleiter mit quadratischem Innenleiter.

3.6.1.1 Parallelplattenleitung mit magnetischen Wänden

Um die Eigenschaften der für ATLM neu entwickelten Wandknoten zu überprüfen, wird die Ausbreitung einer ebenen elektromagnetischen Welle in einer Parallelplattenleitung mit magnetischen Wänden simuliert. Diese Struktur ist ein Modell für einen idealen Plattenkondensator mit einer unendlichen Breite. Die Leitungsstruktur ist im Bild 3.15 dargestellte. Die seitlich liegenden magnetischen Wänden erzeugen eine Symmetriebedingung, die wie eine unendliche Fortsetzung des Plattenkondensators in die +y- und -y-Richtungen wirkt. Folglich bleiben die homogen in der y-z-Ebene angeregten Feldkomponenten der ebenen Welle während ihrer Ausbreitung in x-Richtung homogen.

Abbildung 3.15

Abb. 3.15: Die Parallelplattenleitung mit seitlich angebrachten magnetisch leitenden Symmetriewänden. Angeregt wird eine ebene Welle, die sich in x-Richtung ausbreitet. Mit dieser Leitungsstruktur können die Eigenschaften der grundlegenden ATLM-Wand- und Kantenknoten untersucht werden.

Zur Simulation der Struktureigenschaften wird an der Frontfläche eine ebene Welle angeregt und in x-Richtung in die Struktur geleitet.

Die Plattenleitungsstruktur erlaubt die Untersuchung der elektrisch und magnetisch leitenden Wandknoten (siehe Anhang, Bilder A.1 und A.2), sowie der elektrisch-magnetisch leitenden Innenkante, siehe Bild A.4. Untersucht man zusätzlich die Reflexion der ebenen Welle an einer elektrisch bzw. magnetisch leitenden Fläche, mit der die Leitung am hinteren Ende abgeschlossen ist, so können außerdem die elektrisch-elektrisch leitende Innenkante (Bild A.3), die magnetisch-magnetisch leitende Innenkante und verschiedene Kombinationen von Innenecken mitberücksichtigt werden.

Die ATLM-Simulation der Parallelplattenleitung zeigt das theoretisch erwartete Verhalten. Es treten keine Verzerrungen im zeitlichen und räumlichen Feldverlauf auf. Die Ausbreitung der ebenen Welle in der Leitungsstruktur wird von ATLM exakt modelliert. Wandflächen sowie Ecken und Kanten der Struktur sind durch ihre Streumatrizen und Feldabbildungsmatrizen korrekt beschrieben.

3.6.1.2 Rechteckhohlleiter mit quadratischem Innenleiter

Neben den in einfacher Weise bestimmbaren Wandstreumatrizen für ideale Wände, Innenkanten und Innenecken, sind zur Modellierung von realen Strukturen die komplizierteren Streuknoten zur Beschreibung von Außenkanten erforderlich. Der zur Berechnung ihrer Streumatrix notwendige Kantenimpedanzfaktor, siehe Abschnitt 3.3.2.2, wurde empirisch ermittelt. Dazu ist eine Struktur notwendig, bei der die Ausbreitungseigenschaften bekannt sind und bei deren ATLM-Simulation die zu untersuchende Außenkante einen entscheidenen Einfluß hat. Der Rechteckhohlleiter mit quadratischem Innenleiter, siehe Bild 3.16, ist dazu ideal.

Abbildung 3.16

Abb. 3.16: Der Rechteckhohlleiter mit quadratischem Innenleiter. Links ist der Querschnitt durch die Struktur dargestellt. Auf der rechten Seite ist eine mögliche Diskretisierung mit zwei Symmetrieflächen gezeigt. Diese Struktur ist ideal zur Untersuchung der elektrisch leitenden Außenkanten des Innenleiters.

Im Leitungsinneren der Teststruktur befindet sich Luft bzw. Vakuum (epsilon r = 1). Daher ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Grundmodus die Lichtgeschwindigkeit, vm = c0. Für die Überprüfung der Wandstreumatrizen wurde die Struktur in unterschiedlich feinen Auflösungen diskretisiert und jeweils mit herkömmlichem TLM und zwei verschiedenen Varianten des ATLM simuliert. Angeregt wird der Grundmodus der Hohlleiterstruktur mit dem in Abschnitt 2.3.4.2 beschriebenen Verfahren. Dabei erzeugt man durch Vorlaufsimulationen ein TLM-Pulsmuster, mit dem der Grundmodus in der Anregungsfläche eingeprägt wird.

Tabelle 3.1

Tabelle 3.1: Gegenüberstellung der simulierten Ausbreitungsgeschwindigkeit entlang der Außenkante des Innenleiters im Hohlleiter mit unterschiedlichen TLM- und ATLM-Schemen.

Die Hohlleiterstruktur wird in drei Diskretisierungsstufen modelliert. Dabei ist die grobe in der Abbildung 3.16 rechts dargestellt. Für die mittlere Auflösung wird die Diskretisierungslänge halbiert, die Anzahl der TLM- bzw. ATLM-Zellen ist also achtmal so groß wie für die grobe Diskretisierung. Bei der feinen Diskretisierung wird die Diskretisierungslänge nochmals halbiert. Die fein diskretisierte Struktur benötigt die 64-fache Anzahl von Zellen.

Für jeden Diskretisierungsgrad werden Simulationsrechnungen mit den drei TLM-Methoden durchgeführt. Die simulierten Ausbreitungsgeschwindigkeiten des dispersionsfreien Grundmodus im Hohlleiter sind in der Tabelle 3.1 aufgeführt. In der linken Spalte der Tabelle stehen die Resultate der neuen ATLM-Methode. Die mittlere Spalte zeigen die der ATLM-Methode mit einer einfachen Außenkante. In der dritten Spalte stehen die Resultate der Simulationrechnungen mit traditionellem TLM.

In diesem Vergleich ist eine Darstellung der Außenkante mitberücksichtigt, die bisher noch nicht erwähnt wurde. Der Streuknoten dieser sogenannten einfachen Außenkante besitzt, im Gegensatz zur im Abschnitt 3.3.2 vorgestellten ATLM-Außenkante, keine Längstore. Diese Tore, über die benachbarte Kantenzellen längs der Kante verbunden werden, sind bei der einfachen Außenkante durch Kurzschluß- und Leerlaufbedingungen eliminiert.

Bei allen drei Simulationsmethoden wird die Abweichung der berechneten Geschwindigkeit vom theoretischen Wert 1 mit verfeinerter Gitterdiskretisierung kleiner. Besonders bei TLM und ATLM mit einfacher Außenkante fällt eine deutliche Abhängigkeit von der Gitterdiskretisierung auf. Die Abweichungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit von ihrem korrekten Wert ist bei der Simulation mit der ATLM-Methode mit einfacher Außenkante so groß, daß auf die weitere Untersuchung der einfachen Außenkante verzichtet wurde.

Bei der Entwicklung der ATLM-Methode und der Streumatrizen für die Außenkanten war der Kantenimpedanzfaktor kl, siehe Gleichung (3.6), nicht bekannt. Zu seiner Bestimmung diente die Simulation der Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser Hohlleiterstruktur mit quadratischem Innenleiter. Hierzu wurde eine Optimierung von kl durchgeführt, deren Ziel es war, die theoretische Ausbreitungsgeschwindigkeit vm = c0 in der Teststruktur so exakt wie möglich zu modellieren und den Einfluß der Gitterdiskretisierung zu minimieren. Daß dies gelungen ist, zeigen die Simulationsergebnisse in der ersten Spalte der Tabelle 3.1.

Die hohe Genauigkeit der Simulation der Ausbreitungsgeschwindigkeit mit ATLM ist ein bedeutender Vorteil dieser Methode. Bei der Berechnung des Hohlleiters mit der groben Diskretisierung beträgt die Abweichung der Ausbreitungsgeschwindigkeit vom korrekten Wert bei TLM 8 % und bei ATLM 2 %. Für Simulationsergebnisse, die im Frequenzbereich betrachtet werden, bewirkt dieser Fehler eine Frequenzverschiebung. So weichen beispielsweise Resonanzfrequenzen von Strukturen, die mit der TLM-Methode berechnet werden, stärker vom theoretischen Wert ab und sind deutlich niedriger als bei Berechnungen mit ATLM. Der Reflexionsfaktor der Beispielstruktur in Abschnitt 3.6.2.1 zeigt diesen Effekt. Dieser Unterschied zwischen ATLM und TLM tritt besonders bei groben Strukturdiskretisierungen deutlich in Erscheinung.

Die Verringerung der Gitterdiskretisierung Delta l führt sehr schnell zu einer starken Erhöhung des Simulationsaufwandes und einer Überforderung der Rechenkapazitäten, da der Speicherplatzbedarf und die Rechenzeit für eine Simulationsrechnung prop. (1/Delta l)^3 sind. Anhand der bisherigen Erfahrungen wurde festgestellt, daß mit der ATLM-Methode bei grober Diskretisierung eine höhere Genauigkeit als mit TLM erreicht werden kann.

3.6.2 Beispielrechnungen

3.6.2.1 Mikrostreifenleitung mit Durchkontaktierung

Die Abbildung 3.17 zeigt die Geometrie einer Mikrostreifenleitung, die mit einer Durchkontaktierung abgeschlossen ist. Es interessiert der Reflexionsfaktor S11 der Struktur, der mit beiden Simulationsverfahren, TLM und ATLM, berechnet wird.

Abbildung 3.17

Abb. 3.17: Die Geometrie der Mikrostreifenleitung mit Durchkontaktierung.

Die Struktur besteht aus einer Mikrostreifenleitung, die in eine verbreiterte Fläche übergeht und dort durch einen metallischen Stift, der eigentlichen Durchkontaktierung, mit der Grundmetallisierung verbunden ist. Die Durchkontaktierung wird auch als Viahole bezeichnet.

Für die Simulationsrechnungen wird die Leitungsstruktur äquidistant diskretisiert. Die Kantenlänge der TLM- bzw. ATLM-Zellen beträgt jeweils Delta l = 3 Mikrometer. Die Längenangaben in der Abbildung 3.17 sind auf diese Einheitslänge bezogen.

Wie in der Beschreibung der Geometrie deutlich zu erkennen ist, wird die Struktur nicht vollständig modelliert. Da sie symmetrisch aufgebaut ist, kann auf die Berechnung einer Strukturhälfte verzichtet werden. Dazu wird eine ideal magnetisch leitende Symmetriewand eingefügt, die bei y=0 die Leitungsstruktur durch einen Längsschnitt abschließt. In der Abbildung ist sie als gestrichelte Linie dargestellt.

Unterhalb der Leitung befindet sich die Grundmetallisierung, die über die Durchkontaktierung mit der Leitung verbunden ist. Die Grundmetallisierung wird durch eine ideal elektrisch leitende Fläche bei x=0 beschrieben. Alle anderen Außenflächen des Simulationsgebiets sind durch die einfach absorbierende Randbedingung abgeschlossen, siehe Abschnitte 2.3.1 und 3.4.1.

Zur Bestimmung des Streuparameters S11 der von der Durchkontaktierung abgeschlossenen Mikrostreifenleitung wird an ihrem äußeren Ende zwischen Leitung und Grundmetallisierung ein zeitlich gaußförmiges elektrisches Feld angeregt. Es bildet sich der Grundmodus der Mikrostreifenleitung aus, der auf die Durchkontaktierung zuläuft, dort reflektiert wird und zurückläuft.

Unterhalb der Leitungsmetallisierung befindet sich ein Beobachtungspunkt, an dem eine dem Feldmodus proportionale Feldkomponente abgetastet wird. Aus dem zeitlichen Verlauf der Feldstärke an diesem Beobachtungspunkt wird der Reflexionsfaktor der Struktur bestimmt. Das Bild 3.18 zeigt den Feldstärkeverlauf am Beobachtungspunkt. Die in die Struktur einlaufende Welle und die an der Durchkontaktierung reflektierte Welle können hier leicht unterschieden werden.

Abbildung 3.18

Abb. 3.18: Die Kurve zeigt den zeitlichen Verlauf der Feldkomponente Ex am Beobachtungspunkt unterhalb der Mikrostreifenleitung. Die hin- und rücklaufenden Wellenanteile können deutlich unterschieden werden. Dargestellt sind die ersten 2000 Zeitschritte der ATLM-Simulationsrechnung. Insgesamt wurden 8192 Zeitschritte mit Delta t = 5 10-15 s berechnet.

Zur Berechnung der Streuparameter muß das hinlaufende Signal vom reflektierten getrennt werden. Dazu wird hier das Zeitsignal beim Zeitschritt tt ungefähr 500 Delta t aufgeteilt. Man erhält das in die Struktur einlaufende Signal, das als Referenz zur Berechnung des Reflexionsfaktors erforderlich ist, mit

Gleichung 3.34(3.34)

sowie das reflektierte Signal

Gleichung 3.35(3.35)

Bei dieser Struktur können hin- und rücklaufende Signalanteile leicht unterschieden werden. Im allgemeinen ist es jedoch nicht so einfach, das beobachtete Signal in die beiden Signalanteile aufzuteilen. Sind die hin- und rücklaufenden Anteile zeitlich überlagert, so ist eine zusätzliche Referenzsimulation erforderlich, die die Trennung der Signalanteile erlaubt. Dies ist für das folgende Simulationsbeispiel der Koplanarleitung mit Diskontinuität notwendig und wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

Den Reflexionsfaktor der Leitungsstruktur erhält man durch die Division der Fouriertransformierten des reflektierten Signals durch die Fouriertransformierte des einlaufenden Signals

Gleichung 3.36(3.36)

Die Ergebnisse der TLM- und der ATLM-Simulationsrechnung sind in der Abbildung 3.19 einander gegenübergestellt. In diesem Diagramm ist der Betrag des Reflexionsfaktors |S11| über einen Frequenzbereich von 0 bis 500 GHz aufgetragen.

Abbildung 3.19

Abb. 3.19: Der Reflexionsfaktor |S11| der Durchkontaktierung aus Bild 3.17 wurde mit herkömmlichem TLM und ATLM berechnet.

Die Kurven zeigen den typischen Verlauf des Reflexionsfaktors für eine Mikrostreifenleitung mit Durchkontaktierung. Bei niedrigen Frequenzen wirkt die Struktur als Kurzschluß und reflektiert die einlaufenden Signale verlustfrei (0 dB). Mit zunehmender Frequenz (> 50 GHz) sinkt der Betrag des Reflexionsfaktors deutlich ab. Bei der Frequenz fr ungefähr 230 GHz existiert eine Resonanzstelle, bei der praktisch keine Reflexion mehr stattfindet.

Diese Resonanz bei fr entsteht durch die Abstrahlung der elektromagetischen Welle ins Substrat der Struktur. Hier wirkt die Durchkontaktierung, also der Verbindungsstift zwischen Mikrostreifenleitung und Masse, als lambda/4-Strahler. Berechnet man die lambda/4-Resonanzfrequenz des Stifts mit der Höhe h=99 Mikrometer im Medium epsilon r = 12,9, so erhält man

Gleichung 3.37(3.37)

Dieser Wert beschreibt die Resonanz der Durchkontaktierung im homogen mit epsilon r = 12,9 gefüllten Raum. Da sich oberhalb der Teststruktur jedoch Freiraummedium (epsilon r = 1) befindet, verschiebt sich die Resonanzfrequenz nach oben. Des weiteren haben die mit der Durchkontaktierung verbundenen Leitungselemente ebenfalls einen Einfluß auf die Wellenausbreitung. Wie das Simulationsergebnis zeigt, liegt die tatsächliche Resonanzfrequenz höher als der mit Gleichung (3.37) näherungsweise berechnete Wert f lambda/4.

Die Ergebnisse beider Simulationsmethoden stimmen sehr gut überein. Im Bereich von niedrigen Frequenzen bis zur Resonanzstelle unterscheiden sich die Reflexionsfaktoren praktisch nicht. Lediglich bei der Resonanzfrequenz ist eine geringe Frequenzverschiebung zwischen den Ergebnissen beider Verfahren feststellbar.

Die Ursachen für die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der ATLM- und der TLM-Simulationsrechnung sind:
a) die Position der Wände, die sich bei TLM zwischen den Zellen und bei ATLM im Zellenzentrum befinden
b) und die unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Welle längs der Außenkanten bei TLM bzw. ATLM.

Durch die Lage der Wände zwischen den TLM-Knoten werden, wie im Abschnitt 3.1.3 dargelegt, parasitäre Moden angeregt, die zu Verfälschungen der Feldverläufe führen können. Diese Artefakte werden durch geringe Unterschiede bei der Ausbreitung der TLM-Pulse in den beiden schwach verkoppelten TLM-Teilmengen erzeugt und treten bei der Feldbeobachtung hauptsächlich als hochfrequente Störsignale im Frequenzbereich nahe der Abtastfrequenz der Simulation in Erscheinung. Die Lage der Wände ist demnach nicht für den Unterschied in der Resonanzfrequenz der TLM- und ATLM-Simulation ausschlaggebend.

Viel entscheidender ist der Unterschied bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Welle längs der TLM- und ATLM-Außenkanten. Der Vergleich der Ausbreitungseigenschaften zeigt (siehe Tabelle 3.1), daß an TLM-Außenkanten die Ausbreitungsgeschwindigkeit niedriger als der theoretisch erforderliche Wert ist. Nur an der ATLM-Außenkante breitet sich eine Welle mit der korrekten Geschwindigkeit aus. Dieser Unterschied führt dazu, daß sich die elektromagnetischen Wellen an den Strukturkanten der Durchkontaktierung bei der TLM-Simulation zu langsam ausbreiten. Die Resonanzfrequenz liegt somit bei TLM niedriger als bei der ATLM-Rechnung.

3.6.2.2 Koplanarleitung mit Diskontinuität

In diesem Beispiel wird die ATLM-Methode mit der Mode-Matching-Methode verglichen. Dazu werden die Streuparameter einer Koplanarleitung mit Diskontinuität berechnet. Die Abbildung 3.20 zeigt die Maße und die prinzipielle Geometrie der Struktur. Diese Beispielstruktur und die Resultate der Mode-Matching-Berechnung sind dem Artikel [46] entnommen.

Abbildung 3.20

Abb. 3.20: Die Geometrie der Koplanarleitung mit Diskontinuität.

Für ATLM wird das Simulationsgebiet äquidistant mit Delta l = 50 Mikrometer diskretisiert. Außerdem wird die Symmetrieeigenschaft der Struktur zur Reduzierung des Rechenaufwandes ausgenutzt. Dazu fügt man eine ideal magnetisch leitende Symmetriefläche in die Struktur ein, die das Simulationsgebiet längs der Leitungsstruktur halbiert.

Die absorbierenden Außenflächen am vorderen und hinteren Ende der Leitungsstruktur sind mit einer Kombinationsrandbedingung aus verlustbehaftetem Medium und einfach absorbierenden Wänden modelliert, siehe Abschnitte 3.4.1 und 3.4.3. Seitlich und oberhalb werden einfach absorbierende Wände benutzt. Diese sind ausreichend, da die Feldstärken stets im Leitungsspalt der Koplanarleitung konzentriert sind und an den seitlichen Strukturrändern nie groß werden. Eine Ausbildung von Störsignalen an diesen Randbedingungen kann daher so gut wie ausgeschlossen werden.

Das Ziel der Simulationsrechnung sind die Streuparameter, also der Reflexionsfaktor S11 und der Transmissionsfaktor S21 der Struktur. Zu ihrer Berechnung regt man am Eingangstor der Leitung den Leitungsmodus zeitlich gaußförmig an und tastet den Feldverlauf an jeweils einem Beobachtungspunkt vor und hinter der Leitungsdiskontinuität ab.

Der zur Anregung erforderliche Leitungsmodus wird durch eine zusätzliche Simulationsrechnung bestimmt. Man prägt am Eingangstor der Koplanarleitung zwischen dem Innenleiter und dem Außenleiter ein homogenes elektrisches Feld ein, führt ausreichend viele Simulationsschritte durch, bis sich der Leitungsmodus ausgebildet hat und tastet das Muster der TLM-Pulse des Modus ab. Dieses Muster bildet die Anregung für die eigentliche ATLM-Simulation.

Die Beobachtung des Feldes während der Simulationsrechnung der Koplanarleitung liefert am Eingangstor den Verlauf Ex(t) und am Ausgangstor Etrans(t). Um daraus die Streuparameter der Leitung berechnen zu können, wird das am Eingang beobachtete Signal in eine in die Leitung einlaufende Komponente und eine reflektierte Komponente getrennt. Da diese beiden Signalanteile bei diesem Simulationsbeispiel jedoch überlagert sind, muß eine zweite Simulation der Koplanarleitung ohne Diskontinuität durchgeführt werden. Am Eingangstor dieser Referenzsimulation tastet man das in die Leitung einlaufende Signal Eref(t) ohne Störungen durch Überlagerungen mit Signalreflexionen ab. Durch die Subtraktion beider Eingangssignale der Simulationsrechnungen erhält man den reflektierten Signalanteil

Gleichung 3.38(3.38)

Aus den so aufbereiteten Signalen errechnet man den Reflexionsfaktor S11(f) und den Transmissionsfaktor S21(f) mittels

Gleichung 3.39(3.39)

und

Gleichung 3.40(3.40)

Die Verläufe der Streuparameter sind in Bild 3.21 dargestellt. Der Transmissionsfaktor weist eine deutlich sichtbare Resonanz auf, die durch die Diskontinuität der Koplanarleitung verursacht wird. Es ist eine lambda/2-Resonanz. Sie bildet sich an der Engstelle der Leitung aus. Ihre Frequenz berechnet man mittels einer einfachen Überschlagsrechnung. Mit der Länge l der Diskontinuität und der effektiven Dielektrizitätszahl epsilon eff ergibt sich

Gleichung 3.41(3.41)

als Resonanzfrequenz. Die effektive Dielektrizitätszahl zur Beschreibung des Koplanarmodus erhält man aus [54] als

Gleichung 3.42(3.42)

Abbildung 3.21 zeigt die mit ATLM bestimmten Streuparameter und stellt sie dem aus der Mode-Matching-Methode gewonnenen Reflexionsfaktor gegenüber. Die Übereinstimmung des Kurvenverlaufes ist gut. Besonders die für den Einsatz der Leitungsdiskontinuität wichtige Resonanzstelle wird von der ATLM-Methode sehr gut modelliert.

Abbildung 3.21

Abb. 3.21: Mit ATLM simulierte Streuparameter der Koplanarleitung aus Bild 3.20 im Vergleich zum Resultat der Mode-Matching-Methode.

 


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© 1997   Bernhard Bader
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