2.3 Absorbierende und strahlende Randbedingungen

Die TLM-Methode eignet sich gut zur Analyse allgemeiner dreidimensionaler Strukturen in einem abgeschlossenen Volumen mit definierten idealen Randbedingungen. Bei der Untersuchung offener Strukturen im Bereich höherer Frequenzen ist die Abstrahlung in den freien Raum zu berücksichtigen. Dieses Problem wird durch sogenannte absorbierende oder strahlende Randbedingungen behandelt. In den folgenden Abschnitten werden drei verschiedene Typen von Randbedingungen vorgestellt und anschließend an Simulationsbeispielen verglichen.

Neben den hier gezeigten, direkt für TLM verwendbaren Formulierungen, existieren weitere Möglichkeiten, das TLM-Simulationsgebiet abzuschließen. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, das TLM-Gitter mit einem Finite-Differenzen-Gitter (FD) zu verknüpfen und dort bekannte FD-Randbedingungen einzusetzen. In [31] wird gezeigt, wie das TLM-Gitter mit den perfectly matched layers-Randbedingungen (PML) des FD-Schemas abgeschlossen werden kann. (Siehe dazu auch [32, 33].)

2.3.1 Einfache absorbierende Randbedingungen

Die einfach absorbierenden Wände sind, wie die idealen elektrisch und magnetisch leitenden Wände, zwischen den TLM-Zellen positioniert. Sie sind sehr einfach realisierbar, indem die auf die Wand hinführenden TLM-Verbindungsleitungen reflexionsfrei abgeschlossen werden. Dies wird erreicht, indem man die auf die Wand zulaufenden TLM-Pulse mit einem Reflexionsfaktor multipliziert und zurückleitet. Diese Reflexion wird während der Ausbreitung der Pulse auf den Verbindungleitungen zwischen den Knoten ausgeführt (siehe auch Bild 2.5 in Abschnitt 2.1.3). Der Reflexionsfaktor r muß so gewählt werden, daß eine senkrecht auf die absorbierende Wand einfallende ebene Welle vollständig absorbiert wird. Der Faktor r wird dazu auf den Wert

Gleichung 2.52amit Gleichung 2.52bund Gleichung 2.52c(2.52)

gesetzt. Die mit diesem Reflexionsfaktor abgeschlossenen Verbindungsleitungen modellieren den Übergang von den Leitungen, die den Bezugswellenwiderstand Z aufweisen, auf die Wand mit der charakteristischen Impedanz Zr. Z und Zr sind hier auf den Freiraumwellenwiderstand Z0 normiert.

Diese einfach absorbierende Randbedingung ist sehr gut für Strukturabschlüsse verwendbar, auf die die Wellenfronten senkrecht eintreffen. Beispielsweise sind sie für Hohlleiterstrukturen meist eine gute Wahl. Ihr Vorteil liegt in der einfachen Realisierung und im geringen Rechenaufwand. Problematisch werden diese Randbedingungen jedoch bei schrägem oder streifendem Welleneinfall. An Strukturen, bei denen diese Fälle auftreten, müssen andere Gitterabschlüsse verwendet werden.

2.3.2 Diskrete Greensche Funktionen

Eine exakte Behandlung der Abstrahlung in den unendlich ausgedehnten Raum ist mit Hilfe der Greenschen Funktionen möglich [50, 51]. Eine Anwendung dieser Randbedingung in der TLM-Methode fordert eine diskretisierte Form der Greenschen Funktionen. Damit kann das Simulationsgebiet von Teststrukturen so abgeschlossen werden, daß die Abstrahlungseffekte physikalisch richtig berücksichtigt werden. Die folgenden Absätze geben einen Überblick über die Anwendung der diskreten Greenschen Randbedingung mit der TLM-Methode. Eine ausführliche Darstellung der Herleitung der diskreten Greenschen Funktion für zwei- und dreidimensionales TLM ist in [9, 27-29] zu finden.

Betrachtet man einen berandeten räumlichen Teilbereich, so lassen sich Greensche Funktionen definieren, die die Reaktion der Felder in der Berandung auf eine punktuelle Anregung beschreiben. Dieses Konzept wird auf das TLM-Modell übertragen. Die TLM-Knoten des Simulationsgebiets bilden ein Mehrtor, dessen Tore in der Berandung liegen. Für diese Tore definiert man diskrete Greensche Funktionen. Sie beschreiben die Antwortsignale aller Tore auf die Anregung eines Tors mit einem Einheitsimpuls. Diese Antwortsignale faßt man in Matrizen zusammen. Deshalb werden die diskreten Greenschen Funktionen auch als Greensche Matrizen bezeichnet.

Zur Berechnung der Greenschen Matrizen gibt es mehrere Möglichkeiten.

Eine ausführliche Darstellung der drei Berechnungsmethoden und ihr Vergleich sind in [28] zu finden.

Bei der Realisierung der Randbedingungen verknüpfen die Greenschen Matrizen die einfallenden und gestreuten TLM-Pulse am Rand des TLM-Gitters über die Faltungsoperation

Gleichung 2.53(2.53)

Dabei umfaßt

Gleichung 2.54(2.54)

eine Menge von N Randknoten des Simulationsgebiets. Mit kan sind alle einfallenden TLM-Pulse der Tore n zum Zeitschritt k erfaßt. kbn beschreibt die auslaufenden Pulse. Die diskrete Greensche Funktion oder Greensche Matrix kGn beschreibt die Impulsantwort der TLM-Randknoten n zum Zeitschritt k auf die Anregung mit dem Einheitsimpuls.

Bei der Anwendung der diskreten Greenschen Funktionen muß folgendes beachtet werden. Nach jedem Simulationsschritt findet an jeder Randfläche, die mit Greenschen Matrizen abgeschlossen ist, eine dreidimensionale Faltung statt. Dies bedeutet einen beträchtlichen numerischen Aufwand und führt zu einer Erhöhung der Rechenzeit. Eine Optimierung der Faltungsoperation mit den analytisch hergeleiteten Greenschen Matrizen ist jedoch auf Grund spezieller Eigenschaften möglich. Der Aufwand für die Berechnung der Randbedingung entspricht nach der Optimierung ungefähr dem einer zweidimensionalen Faltung. (Siehe dazu das Kapitel 4.3.2 in [9].)

Der Vorteil der diskreten Greenschen Funktionen besteht in der exakten Beschreibung der Abstrahlung von elektromagnetischen Wellen. Problematisch wird jedoch die Handhabung an großflächigen Randgebieten. Da dort mehrdimensionale Faltungsoperationen ausgeführt werden müssen, steigt der Rechenaufwand mit zunehmender Randfläche stark an. Um den Aufwand für diese Faltungen zu minimieren, müssen die Zeitantworten und die räumliche Ausdehnung der Greenschen Matrizen beschränkt werden. Einfaches Abschneiden der vollständigen Greenschen Matrizen führt jedoch meist zu Instabilitäten bei den Simulationsrechnungen. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, wichtet man die Matrixelemente mit Abschneidfunktionen, die die Matrixelemente zum Rand hin dämpfen.

Allgemein kann zu den diskreten Greenschen Funktionen festgestellt werden, daß sie die Fortsetzung des TLM-Gitters sehr gut beschreiben. Bei größeren Strukuren erforden sie aber einen erheblichen numerischen Aufwand.

Ein weiterer wichtiger Vorteil der Anwendung der Greenschen Matrizen ist jedoch ihr niedriger Speicherbedarf. Im gleichen Speicherplatz können diskrete Greensche Funktionen ein ungefähr dreimal so großes TLM-Freiraumgitter beschreiben, als es mit der gewöhnlichen TLM-Modellierung möglich ist. Dies kann einfach begründet werden. Ein beispielhaftes TLM-Gitter besteht aus nx × ny × nz Knoten ohne Stichleitungen. Für die Verlängerung des TLM-Gitters um mx Zellschichten benötigt man zusätzlichen Speicherplatz für 12 × mx ny nz TLM-Pulse. Soll diese Verlängerung durch diskrete Greensche Matrizen beschrieben werden, benötigt man Platz zur Speicherung von 2 × 2 mx ny nz zeitlich zurückliegenden Zuständen der aus dem Gitter herauslaufenden TLM-Pulse. Zusätzlich muß die relativ kleine Greensche Matrix gespeichert werden. Man spart knapp zwei Drittel Speicherplatz. Ist für die Simulation die Verwendung von Stichleitungen notwendig, wird sogar bis zu 7/9 des Platzes eingespart.

2.3.3 Absorption in verlustbehaftetem Medium

Eine weitere Möglichkeit, das Simulationsgebiet bei TLM-Rechnungen abzuschließen, ist der Einsatz von verlustbehaftetem Medium. Dies ist direkt mit der Anwendung von Absorbermaterialien in realen Meßaufbauten vergleichbar. Man setzt an den Seitenrändern des Versuchsgebiets Absorber ein, die die einlaufenden Wellen dämpfen und störende Reflexionssignale verhindern. Damit kann erreicht werden, daß die Randgebiete von Strukturen annähernd reflexionsfrei abgeschlossen werden.

Für TLM-Simulationen ist die Realisierung der absorbierenden Randbedingungen sehr einfach. An den Strukturenden werden zusätzliche TLM-Zellenschichten angebracht, denen verlustbehaftete Medieneigenschaften zugewiesen werden. Nach außen wird die Absorberschicht mit idealen magnetisch oder elektrisch leitenden Wänden oder auch einfachen absorbierenden Randbedingungen abgeschlossen. Das Absorbermaterial wird über die gewöhnliche TLM-Medienbeschreibung modelliert.

Die Hauptvoraussetzung für die Anwendung des absorbierenden Mediums ist die Reflexionsfreiheit des Übergangs vom Simulationsgebiet zum Absorber. Dazu muß gewährleistet werden, daß der Wellenwiderstand des verlustfreien Mediums im Simulationsgebiet gleich dem Wellenwiderstand des verlustbehafteten Mediums im angrenzenden Absorber ist. Diese Forderung kann erfüllt werden, wenn man die Verluste nicht nur mittels der elektrischen Leitfähigkeit, sondern auch mit der magnetischen Leitfähigkeit modelliert. Ist das verlustfreie Medium durch epsilon und mu charakterisiert, so müssen auch für den Absorber diese Werte gelten. Zusätzlich muß das Verhältnis von elektrischen zu magnetischen Verlusten die Bedingung

Gleichung 2.55(2.55)

erfüllen. Werden die Medieneigenschaften des Absorbers entsprechend gewählt, dann besitzt er den gleichen Wellenwiderstand wie das benachbarte verlustlose Medium. Der Übergang einer elektromagnetischen Welle zwischen den beiden Medien findet reflexionsfrei statt.

Die Wahl der spezifischen Leitwerte sigma e und sigma m ist stark von den Gegebenheiten der zu simulierenden Struktur abhängig. Besonders die Richtung der auf die Absorberschicht einlaufenden Wellen ist entscheidend. Bei senkrechtem Einfall sind wenige Zellschichten mit homogener Leitfähigkeit ausreichend. Bei schrägem Einfall wird die Wellenfront an schmalen Randschichten jedoch verzerrt. Um diese störenden Einflüsse zu unterdrücken, verwendet man Schichten mit anisotroper, also richtungsabhängiger Leitfähigkeit. Da sich mit TLM die Leitfähigkeiten richtungsabhängig simulieren lassen (siehe Gleichungen (2.21) und (2.22)), sind auch anisotrope Absorber modellierbar. Dieses, bisher noch nicht veröffentlichte Verfahren ermöglicht die selektive Dämpfung von Feldkomponenten in den Absorberschichten. Störende Rückwirkungen auf die Feldverteilung im Strukturinneren werden so fast vollständig unterdrückt.

2.3.4 Simulationsbeispiele mit Randbedingungen

Die verschiedenen Randbedingungen werden anhand von Simulationsbeispielen verglichen. Untersucht wird die Ausbreitung eines elektromagnetischen Wellenpulses längs einer Mikrostreifenleitung mit einem leerlaufenden Ende.

2.3.4.1 Der Strukturaufbau

Die Teststruktur ist im Bild 2.8 dargestellt. Die Struktur wird in zwei prinzipiell unterschiedlichen Konfigurationen betrachtet. Im ersten Fall gilt epsilon r1=epsilon r2=1. Im zweiten Fall liegt die Leitung auf einem Substratmaterial, dafür gilt epsilon r1=1 und epsilon r2=9,9.

Abbildung 2.8

Abb. 2.8: Prinzipskizze der Beispielstruktur: eine Mikrostreifenleitung mit offenem Ende. Das hier eingezeichnete Absorbermedium wird nicht bei allen Simulationsrechnungen verwendet.

Die genauen Maße der Struktur sind in der folgenden Tabelle aufgelistet.

Tabelle S30 Strukturmaße

*Bei den Simulationsrechnungen mit großem Gitter haben die Breite b und Höhe h des TLM-Gitters größere Werte. In den jeweiligen Fällen sind die veränderten Dimensionen angegeben.

Da die Geometrie der Struktur und die sich längs der Leitung ausbreitenden Moden spiegelsymmetrisch sind, wird, wie in der Skizze zu erkennen ist, nur eine Hälfte berechnet. Die Symmetriebedingung wird durch eine ideal magnetische Wand in der y-z-Ebene bei x=0 realisiert. Für die tatsächliche Breite der Leitung ergibt sich also d2'=6Delta l.

Bei den Simulationsrechnungen wird mit relativen Größen gearbeitet. Alle Längenangaben beziehen sich auf den TLM-Gitterabstand Delta l, alle Zeitangaben basieren auf dem Zeitschritt Delta t. Für die maximale Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen im TLM-Gitter gilt c 0 = Delta l / (2 Delta t) (siehe Abschnitt 2.1.3.2, Gleichung (2.29)).

Die ideal magnetisch leitende Symmetriewand, sowie alle ideal elektrisch leitenden Wände, die das Leitungsstück und die Grundmetallisierung modellieren, werden mit den im Abschnitt 2.1.3 gezeigten Wandtypen realisiert. Die Wände sind grundsätzlich zwischen den TLM-Zellen lokalisiert.

2.3.4.2 Die Feldanregung

Angeregt wird eine transversal elektromagnetische Welle (TEM), die keine Feldkomponenten in Ausbreitungsrichtung besitzt. Für die Mikrostreifenleitung wird der TEM-Grundmodus so vorgegeben, daß er in +z-Richtung läuft. Die Gleichung

Gleichung 2.56amit Gleichung 2.56b, Gleichung 2.56c(2.56)

gibt den Modus zeitlich gaußförmig vor. Das Profil des Grundmodus, also der räumliche Verlauf der elektrischen Feldstärke in der Anregungsebene, wird durch ein oder mehrere Vorlaufsimulationen gewonnen. Dazu gibt man zunächst ein Feldprofil vor, das ungefähr dem ausbreitungsfähigen Modus entspricht. In der Abbildung 2.8 ist diese Anregung skizziert. Durch die zeitlich gaußförmige Anregung dieses Feldprofils entsteht ein Wellenpuls, der sich bei der Ausbreitung entlang der Leitung zum ausbreitungsfähigen Modus ausbildet. Nicht ausbreitungsfähige Anteile klingen ab und verschwinden. Der so entstehende Modus wird in einem ausreichenden Abstand vom Anregungsort, hier reichen ca. 50 Delta l, abgetastet und gespeichert. Dazu richtet man eine Querschnittsfläche ein, durch die der elektromagnetische Wellenpuls läuft. Zum Zeitpunkt der maximalen Amplitude werden alle TLM-Pulse der Knoten in der Querschnittsfläche abgetastet und gespeichert. Mit diesem TLM-Pulsmuster wird das Gitter für eine weitere Simulationsrechnung angeregt. Der sich entlang der Leitung ausbreitende Modus wird erneut abgetastet. Je nach Abstand zwischen Anregungs- und Abtastungsebene benötigt man ein bis drei Durchläufe, um schließlich das gewünschte, genaue Anregungsmuster für die eigentliche Simulationsrechnung zu erhalten.

Diese Methode der numerischen Bestimmung eines Anregungsprofils ist für transversale Moden geeignet. Es ist damit auch möglich, höhere Moden zu extrahieren, da sie sich wegen ihrer niedrigeren Ausbreitungsgeschwindigkeit vom Grundmodus lösen und extra abtasten lassen. Diese Anregungstechnik wird bei allen in dieser Arbeit durchgeführten Simulationsrechnungen angewendet.

2.3.4.3 Die Feldbeobachtung

Während der Simulationsrechnung der Beispielleitung wird der Verlauf der elektrischen Feldkomponenten in neun Gitterzellen beobachtet. Die Abtastorte liegen knapp unterhalb der Leitung, siehe Bild 2.8. Sie sitzen entlang der Achse x=1,5 Delta l, y=2,5 Delta l, gemessen von der Symmetriewand x=0 und der Gundmetallisierung y=0. Ausgehend von der Anregungsfläche bei z=15 Delta l, sind die acht Beobachtungspunkte P2 bis P9 im Abstand von jeweils 10 Delta l angeordnet. Der Punkt P1 sitzt hinter der Anregungsfläche bei z=5 Delta l.

Zur Berechnung der Feldkomponenten kommt die Zentralabbildung zur Verwendung (siehe Abschnitt 2.2.1), bei der die Feldkomponenten im Zentrum der Zellen positioniert sind. Bei den hier durchgeführten Untersuchungen der absorbierenden Randbedingungen ist es nicht notwendig, die absoluten Werte der Feldgrößen zu bestimmen. Es interessiert nur der Vergleich der relativen Feldgrößen an den Beobachtungspunkten. Aus diesem Grund werden für die Feldstärken keine physikalischen Einheiten, sondern nur dimensionslose Größen angegeben.

2.3.4.4 Der Vergleich der Randbedingungen anhand der Simulationsergebnisse

Für die folgenden vier Berechnungen wird die Beispielstruktur mit homogenem Medium mit epsilon r1=epsilon r2=1 gefüllt.

2.3.4.4.1 Die einfach absorbierende Randbedingung. Die erste Simulationsrechnung führt man mit Außenwänden durch, die als einfach absorbierende Randbedingungen realisiert sind. Hierzu werden die aus dem TLM-Gitter herausführenden TLM-Leitungen mit einem medienabhängigen Reflexionsfaktor abgeschlossen. (Siehe dazu die Gleichung (2.52) im Abschnitt 2.3.1.) Die zeitlichen Feldverläufe der Ey-Komponente an den Beobachtungspunkten P1 bis P9 sind in Bild 2.9 dargestellt.

Abbildung 2.9

Abb. 2.9: Der zeitliche Verlauf des elektrischen Felds an den Beobachtungspunkten unterhalb der Leitung bei der ersten Simulationsrechnung mit homogenem Medium und einfach absorbierenden Randbedingungen.

Es ist sehr gut zu erkennen, wie der zeitlich gaußförmige Wellenpuls der Reihe nach an den Beobachtungspunkten P2 bis P6 vorbeiläuft. Am Ort P7, der bei z=75 Delta l genau unter dem Ende der Leitung liegt, findet die Reflexion am leerlaufenden Leitungsende statt. Dies ist klar an der hohen Feldamplitude erkennbar. Im Anschluß an diese Reflexion läuft der Wellenpuls auf der Leitung zurück. Dies kann ebenfalls an den Punkten P6 bis P1 beobachtet werden. Wie die Feldverläufe an den Beobachtungspunkten P8 und P9 zeigen, wird die Welle nicht vollständig reflektiert. Ein geringer Anteil läuft in +z-Richtung weiter. Auch zeigt der bei t ungefähr 70 Delta t sichtbare Puls am Ort P1, daß die Anregung nicht nur Wellen in +z-Richtung sondern auch in entgegengesetzter Richtung anregt. Dies deutet darauf hin, daß das Anregungsmuster den Wellenleitermodus nicht exakt beschreibt. Der von der Anregung in -z-Richtung loslaufende Anteil verursacht jedoch keine Störungen und kann ignoriert werden, da er an der absorbierenden Wand vollständig verschwindet. Das wird durch das Fehlen eines reflektierten Signals bestätigt.

Wie schon bei der Beschreibung der einfach absorbierenden Wände erwähnt wurde und wie es auch bei dieser Simulationsrechnung deutlich wird, sind die einfach absorbierenden Wände hervorragend geeignet, das TLM-Simulationsgebiet für senkrecht auf diese Wände einfallenden TEM-Wellen abzuschließen. Die vom Leitungsende reflektierte und zurücklaufende Welle trifft bei z=0 auf die einfach absorbierende Wand und wird praktisch vollständig absorbiert. Selbst an P1, nur 5 Delta l von der Wand entfernt, sind keine reflektierten Signalanteile detektierbar.

Leider zeigt die einfach absorbierende Randbedingung ihre guten Eigenschaften nur bei senkrechtem Welleneinfall. Wie das mit zeitlichem Fortschritt abnehmende Maximum des Wellenpulses zeigt, verliert die Welle Energie. Das kann nur von den seitlich neben und überhalb der Struktur angebrachten einfach absorbierenden Randbedingungen verursacht werden. Dies sind Wände, an denen die Welle flach entlangstreift. Offensichtlich verursacht das eine unerwünschte Dämpfung und sogar eine Verzerrung der Welle, wie an den langen Nachläufern des ursprünglich gaußförmig angeregten Pulses deutlich wird.

Für die einfach absorbierenden Randbedingungen läßt sich zusammenfassend feststellen, daß sie sehr gut geeignet ist, senkrecht auf die Randbedingung einfallende Wellen zu absorbieren. In der hier durchgeführten Simulationsrechnung sind praktisch keine Reflexionen feststellbar. Trifft eine elektromagnetische Welle jedoch schräg auf eine solche Randfläche auf, oder läuft eine Welle streifend an ihr entlang, so treten unphysikalische Verzerrungen und unerwünschte Dämpfungen auf. Für diesen Fall sind andere Randbedingungen besser geeignet.

2.3.4.4.2 Beschreibung des Außenraums durch ein ausreichend großes TLM-Gitter. Bei der nächsten Simulations werden ebenfalls nur einfach absorbierende Wände eingesetzt. Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt wurde, sind diese Wände bei z=0 und z=110 Delta l problemlos verwendbar. Seitlich und oberhalb der Leitung wird das TLM-Gitter nun vergrößert. Nach außen hin ist das vergößerte Gitter wieder mit einfach absorbierenden Randbedingungen abgeschlossen. Nun jedoch sind diese Wände soweit von der Leitung entfernt, daß sie auf die Ausbreitungseigenschaften der Leitung ohne Wirkung bleiben.

Für die Berechnung wird das Gitter in x-Richtung auf b=25 Delta l verbreitert und in y-Richtung auf h=50 Delta l erhöht. Die Länge l bleibt unverändert, da die einfachen Randbedingungen in den x-y-Ebenen bei z=0 und z=110 Delta l ohne Probleme einsetzbar sind.

Abbildung 2.10

Abb. 2.10: Das Ergebnis der Vergleichsrechnung mit großem Gitter. Die Teststruktur wurde mit einem ausreichend großen Gitter simuliert. Die absorbierenden Randbedingungen, die dieses Gitter abschließen, sind soweit von der Struktur entfernt, daß sie ohne Einfluß auf die Simulationsergebnisse bleiben.

An den Kurven in Bild 2.10 ist die Ausbreitung der Welle auf der Leitung klar erkennbar. Am Leitungsende erfolgt die Leerlaufreflexion, und der Hauptteil der Welle läuft zurück. Ein geringer Anteil breitet sich in der ursprünglichen Richtung weiter aus, wie die kleinen Feldsignale an den vor der Leitung liegenden Beobachtungspunkten erkennen lassen. Ganz klar ist auch die Reflexionsfreiheit der einfach absorbierenden Wände feststellbar, auf die die zurücklaufende Welle ungefähr zum Zeitschritt 350 Delta t auftrifft. An den Beobachtungspunkten sind keinerlei reflektierte Signale zu sehen. Dies entspricht dem Verhalten der vorherigen Simulationsrechnung.

Der größte Unterschied zeigt sich jedoch darin, daß der Welle hier, im Vergleich zur Simulation mit einfach absorbierenden Randbedingungen, keine Energie entzogen wird. Die Amplitude der zum Leitungsende hinlaufenden Welle wird nicht gedämpft. Ebenso verliert die zurücklaufende reflektierte Welle bei der Ausbreitung entlang der Leitung keine Energie. Sie weist lediglich eine um den abgestrahlten Wellenanteil verminderte Amplitude auf.

Dieses Simulationsergebnis verdeutlicht die leicht verständliche Tatsache, daß die Modellierung des Freiraums durch ein genügend großes Simulationsgitter sehr gut gelingt. Dieses Ergebnis beschreibt die physikalischen Eigenschaften der Teststruktur sehr genau. Bei einer relativ kleinen Struktur ist dies sicher die beste Methode, den Freiraum um die zu simulierende Struktur zu beschreiben. Leider fordert ein vergrößertes TLM-Gitter zusätzlichen Speicherplatz und Rechenaufwand, was besonders bei aufwendigeren Strukturen zu unverhältnismäßig langen Rechenzeiten führt oder gar nicht zur Verfügung steht. Aus diesem Grund verwendet man in diesen Fällen die in den folgenden Abschnitten gezeigten Randbedingungen.

2.3.4.4.3 Abschluß des TLM-Gitters mit verlustbehafteten Materialschichten. Bei Messungen der elektromagnetischen Eigenschaften von elektronischen Strukturen verwendet man oft Absorbermaterialien, um unerwünschte Signalreflexionen zu dämpfen. Dieses Prinzip läßt sich einfach auf die TLM-Simulationsrechnungen übertragen. Im Abschnitt 2.3.3 ist die prinzipelle Vorgehensweise beschrieben. Es hat sich gezeigt, daß die Verwendung von homogenem verlustbehaftetem Medium als Absorber kaum bessere Simulationsergebnisse liefert, als beim Einsatz der einfach absorbierenden Randbedingungen erzielbar sind. Gerade aber beim kritischen streifenden Einfall von elektromagnetischen Wellen auf die Absorberschichten sind bessere Eigenschaften notwendig. Diese können mit anisotropen Medienschichten erreicht werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

Abbildung 2.11

Abb. 2.11: Für diese Simulationsrechnung ist das TLM-Gitter mit anisotropem verlustbehaftetem Medium abgeschlossen.

Im Bild 2.11 sind die Ergebniskurven einer Simulation abgebildet, die die Struktur aus Bild 2.8 berechnet. Seitlich und oberhalb der Leitung sind Absorberschichten eingebracht, die sich nur auf die z-Feldkomponenten dämpfend auswirken. Das Simulationsergebnis weicht nur minimal von den Resultaten der Berechnung mit großem Freiraumgitter ab. Es ist keine Dämpfung der Wellenausbreitung längs der Leitung feststellbar.

Die Randbedingungen sind wie folgt angeordnet: In den x-y-Ebenen bei z=0 und z=110 Delta l sind, wie bisher, nur die einfach absorbierenden Randbedingungen angebracht. Mit ihnen erzielt man bei senkrechtem Welleneinfall die bekannten guten Dämpfungseigenschaften. Der seitlich das Simulationsgebiet abschließende Absorber umfaßt die y-z-Ebenen im Bereich von x=7 Delta l bis 9 Delta l, ist also zwei TLM-Zellenschichten dick. Oberhalb der Leitung befindet sich der Absorber in den x-z-Ebenen von y=12 Delta l bis y=15 Delta l. Dahinter ist das Gitter mit einfach absorbierenden Randbedingungen beendet. Für die Materialeigenschaften des Absorbers gelten die Werte der Tabelle.

Tabelle S37 Materialeigenschaften

Für epsilon r und mu r werden die gleichen Werte wie für das benachbarte verlustfreie Medium eingesetzt. Die Verlustterme erfüllen außerdem die Bedingung für die Reflexionsfreiheit, siehe Gleichung (2.55).

Mit diesen Randbedingungen liefert die TLM-Simulation Resultate, die ohne Absorberschichten nur durch die Berechnung eines sehr viel größeren TLM-Gitters erzielt werden können. Bei dieser Beispielstruktur ist für die Vergleichsrechnung aus Abschnitt 2.3.4.4.2 ein 9,2-fach so großes TLM-Gitter notwendig. Durch die Verwendung von anisotropen verlustbehafteten Medienschichten als Absorber erreicht man eine drastische Reduzierung des Rechenaufwands.

Wie erklärt sich die Funktionsweise dieser Randbedingung? Die sich in +z- bzw. -z-Richtung ausbreitende Welle ist in dieser Leitungsstruktur ein TEM-Modus. Das bedeutet, die longitudinalen Feldkomponenten Ez und Hz existieren nicht. Die Bereiche des Feldmodus, die in die Absorberschichten am Rand des TLM-Gitters ragen, werden durch den Absorber nicht beeinflußt, da dieser nur die in z-Richtung weisenden Feldkomponenten dämpft. Hinter den Absorberschichten ist das Simulationsgitter jedoch mit den einfach absorbierenden Wänden abgeschlossen. Dort entstehen beim Vorbeilaufen der TEM-Welle unphysikalische Reflexionssignale, die zu Simulationsfehlern führen, wie Abschnitt 2.3.4.4.1 zeigt. Diese störenden Reflexionswellen weisen hauptsächlich Feldkomponenten in z-Richtung auf. Sie werden aber in den Absorberschichten erfolgreich gedämpft. Die TEM-Welle kann praktisch unbeeinflußt an der Randbedingung entlang laufen. Trotz der guten Eigenschaften dieser Randbedingung darf sie nicht zu nahe an die zu simulierende Struktur gesetzt werden, da sonst der Modus verändert würde und sich geänderte Ausbreitungseigenschaften ergäben. Die geeigneten Parameter der Randbedingung, also die Lage der Wand und die Materialeigenschaften des Absorbers, müssen vom Anwender an die jeweilige Struktur angepaßt werden und ggf. durch Vorlaufsimulationen geprüft werden.

In manchen Fällen ist die im nächsten Abschnitt beschriebene Randbedingung mit diskreten Greenschen Funktionen besser geeignet, absorbierende bzw. strahlende Randprobleme zu beherrschen.

2.3.4.4.4 Beschreibung der Fortsetzung des TLM-Gitters durch diskrete Greensche Funktionen. Im Abschnitt 2.3.2 ist die Anwendung diskreter Greenscher Funktionen als Gitterabschluß beschrieben. Sie sind bei der hier untersuchten Beispielrechnung die Randbedingung am seitlichen und oberen Gitterrand. Zum Einsatz kommt eine diskrete Greensche Matrix mit der räumlichen Ausdehnung von nx × ny = 40 × 40 Gitterzellen und einer zeitlichen Tiefe von nt=60. In dieser Matrix ist also die räumliche und zeitliche Impulsantwort des unendlich ausgedehnten Halbraumgitters auf einer Fläche von 40 × 40 um den Anregungspunkt für 60 Zeitschritte gespeichert. Diese Impulsantwort wird mit den aus dem Simulationsgitter auslaufenden TLM-Pulsen verknüpft und in das Gitter zurückgespeist. Dazu verwendet man eine dreidimensionale Faltungsoperation. Wie in [9] dargelegt ist, benötigt diese Faltung einen hohen Rechenaufwand. Es ist also notwendig, die Greensche Matrix so klein wie möglich zu machen. Dazu werden die Impulsantworten abgeschnitten. Da bei der Anwendung abrupt abgeschnittener Greenscher Matrizen die TLM-Simulation nach wenigen Zeitschritten instabil wird, muß der Inhalt der Matrix geeignet gedämpft werden. Zur Gewährleistung der Stabilität reicht es in diesem Fall, daß die Greensche Matrix nur in der zeitlichen Dimension gedämpft wird. Dazu verwendet man die Fensterfunktion

Gleichung 2.57(2.57)

die die Matrixelemente mit einem Kosinusbogen wichtet. In der räumlichen Ausdehnung bleibt die Matrix unverändert, da die Matrixelemente nach außen hin sowieso schnell klein werden.

Zur Unterdückung der Reflexion an der Vorder- und Hinterseite der Struktur kommen wieder die bewährten einfach absorbierenden Randbedingungen zum Einsatz.

Abbildung 2.12

Abb. 2.12: Die Simulationsrechnung der Beispielstruktur im TLM-Gitter, das mit diskreten Greenschen Funktionen abgeschlossen ist.

Wie die Feldverläufe der Simulationsrechnung in Bild 2.12 zeigen, liefert die Randbedingung mit den diskreten Greenschen Funktionen relativ gute Ergebnisse. Die störende Dämpfung während der Ausbreitung der Welle entlang der Leitung ist sehr viel geringer als im ersten Beispiel, das nur einfach absorbierende Wände verwendet. Die hervorragenden Eigenschaften eines großen Simulationsgitters, ebenso wie die Eigenschaften des anisotropen Absorbers, werden mit den diskreten Greenschen Funktionen nicht erreicht. Dies versteht man, wenn man die Entstehung der diskreten Greenschen Funktionen für diesen Fall betrachtet. Nach der Abtastung der Impulsantwort des Freiraumgitters beschreibt die Greensche Matrix eine Fortsetzung des TLM-Gitters in den freien Raum. Da die Matrix so nicht eingesetzt werden kann und abrupt abgeschnittene Impulsantworten zu instabilem Verhalten führen, ist es notwendig, die Matrixelemente in zeitlicher Richtung zu dämpfen. Die resultierende Matrix beschreibt aber nun die Impulsantwort eines verlustbehafteten Mediums. Diese Verluste haben, im Gegensatz zu den im vorherigen Abschnitt vorgestellten anisotropen Absorbern, keine anisotrope Richtwirkung. Somit kann mit den gedämpften diskreten Greenschen Funktionen nur die Wirkung einfacher, homogener Absorber erzielt werden.

Das hier gezeigte Beispiel einer Mikrostreifenleitung liefert bei der Verwendung von diskreten Greenschen Funktionen relativ gute Simulationsergebnisse. Der Einsatz anisotroper Absorberschichten ist jedoch weniger aufwendig und bringt bessere Resultate. Vergleicht man die Anwendung der diskreten Greenschen Funktionen aber mit der direkten Simulation des Freiraums, so stellt man fest, daß die Greenschen Matrizen mit gleichem Speicherplatz ein ungefähr drei- bis viermal größeres TLM-Freiraumgitter beschreiben können.

Bisher wurde die Struktur ohne Medium berechnet. Bei den folgenden drei Berechnungen liegt die Leitung auf einem Substratmaterial mit epsilon r2=9,9.

2.3.4.4.5 Gitterabschluß mit einfach absorbierenden Randbedingungen. Die Struktur der folgenden Simulationsrechnung hat die im Abschnitt 2.3.4.4.1 verwendete Geometrie. Der Unterschied besteht darin, daß nun der Substratbereich unterhalb der Leitung mit Medium gefüllt ist. Wie das Simulationsergebnis in Bild 2.13 zeigt, breitet sich die elektromagnetischen Welle langsamer aus als im Freiraumfall. Im Prinzip zeigen die Feldverläufe ein sehr ähnliches Bild wie der vergleichbare Fall ohne Medium. Die Welle wird während ihrer Ausbreitung längs der Leitung an den seitlich und oberhalb liegenden Randbedingungen gedämpft. Dieses Verhalten war zu erwarten und macht den Einsatz besserer Randbedingungen notwendig. An der Vorder- und Hinterseite des TLM-Gitters sind jedoch auch hier die einfach absorbierenden Wände gut geeignet, die senkrecht einfallende Welle reflexionsfrei zu dämpfen. Dieses Verhalten ist aus den zuvor beschriebenen medienfreien Simulationsrechnungen bekannt.

Abbildung 2.13

Abb. 2.13: Die Simulationsrechnung der Beispielstruktur mit Medium. Die Leitung liegt auf einem Substrat mit epsilon r=9,9. Die Struktur ist nach außen mit einfach absorbierenden Wänden abgeschlossen.

Um eine Verbesserung der absorbierenden Randbedingungen zu erreichen, wird für die folgende Simulation anisotropes Absorbermedium verwendet. Damit konnten im medienfreien Fall sehr gute Resultate erzielt werden.

2.3.4.4.6 Gitterabschluß mit anisotropem Absorbermedium. Das Bild 2.14 zeigt das Ergebnis der Berechnungen mit anisotropem Absorbermedium. In der Tabelle sind die Materialparameter des Absorbers eingetragen.

Tabelle S41 Materialeigenschaften

Je nachdem, ob der Absorber neben dem Freiraummedium oder neben dem Substratmedium liegt, wird das entsprechende Absorbermedium verwendet. Für beide Absorbertypen ist die Gleichung (2.55) erfüllt, die die Grundbedingung für die Reflexionsfreiheit des Übergangs vom verlustfreien Medium zum Absorber darstellt.

Abbildung 2.14

Abb. 2.14: Die Beispielstruktur ist mit anisotrop absorbierendem Medium abgeschlossen. Die Eigenschaften dieser Randbedingungen sind nur gering besser als die des vorherigen Simulationsbeispiels mit einfach absorbierenden Wänden.

Das Simulationsergebnis ist nicht befriedigend. Die Randbeschreibung durch einen anisotropen Absorber liefert kaum bessere Resultate als mit der Verwendung von einfach absorbierenden Wänden erzielt werden können. Dieser Effekt kann erklärt werden. Bei der Ausbreitung einer elektromagnetischen Welle entlang der Leitung auf dem Substratmaterial bildet sich kein echter TEM-Modus aus. In der geschichteten Medienstruktur entsteht ein Quasi-TEM-Modus, der im Gegensatz zum TEM-Modus longitudinale Feldkomponenten besitzt. Leider ist das anisotrope Absorbermedium in Kombination mit den dahinterliegenden einfach absorbierenden Wänden nicht die geeignete Randbedingung für Quasi-TEM-Moden. Der anisotrope Absorber unterdrückt nicht nur die von den einfach absorbierenden Wänden reflektierten unphysikalischen Feldkomponenten, sondern auch die im Quasi-TEM-Modus existierenden longitudinalen Feldkomponenten. Das führt zu einer deutlichen Beeinflussung, d. h. Dämpfung der Amplitude der sich ausbreitenden Welle.

Beim näheren Vergleich der Feldverläufe mit den vorherigen Simulationsergebnissen findet man trotzdem eine Verbesserung der Ausbreitungseigenschaften. Die unphysikalischen Nachläufer, wie sie bei den Berechnungen im Abschnitt 2.3.4.4.5 und auch im Abschnitt 2.3.4.4.1 auftreten, sind hier nicht zu beobachten. Das Absorbermedium reduziert den verzerrenden Einfluß der dahinterliegenden einfachen Absorberwände.

Um eine weitere Verbesserung der Randbedingungen bei der Ausbreitung von Quasi-TEM-Moden zu erreichen, stehen der Einsatz diskreter Greenscher Funktionen und die Erweiterung des Simulationsgitters zur Auswahl. Die Verwendung der diskreten Greenschen Funktionen ist an den Rändern von Gebieten mit geschichtetem Medium sehr aufwendig. Hier ist es nicht ausreichend, die Impulsantwort der Randschicht auf die Anregung eines einzelnen TLM-Tores in der Fläche zu kennen. Im Prinzip müßten die Impulsantworten aller Tore der Randschicht auf die Impulsanregung wiederum aller Tore der Randschicht bekannt sein und gespeichert werden. Dies fordert jedoch schon bei einer relativ kleinen Randschicht einen unverhältnismäßig großen Datenspeicher. In solchen Fällen ist die Simulation eines vergrößerten TLM-Gitters der Anwendung der diskreten Greenschen Funktion deutlich überlegen. Aus diesem Grund wird für die auf Substrat liegende Mikrostreifenleitung auf die Anwendung der diskreten Greenschen Funktion verzichtet.

2.3.4.4.7 Modellierung der Randbedingungen durch ein vergrößertes Gitter. Für die Simulationsrechnung der Leitung auf Subtrat vergrößert man das Gitter in x-Richtung auf b=25 Delta l und in y-Richtung auf h=50 Delta l. Die Länge bleibt unverändert. Das Gitter hat die gleichen Ausdehnungen wie im Abschnitt 2.3.4.4.2. Außen ist das Gitter ebenfalls mit einfach absorbierenden Wänden abgeschlossen. Die Feldverläufe in Bild 2.15 zeigen, daß die Wellenausbreitung ungestört stattfinden kann. Wie erwartet, nimmt die Amplitude der Welle beim Entlanglaufen an der Leitung nicht ab. Das Simulationsgebiet ist also ausreichend groß.

Abbildung 2.15

Abb. 2.15: Die Randbedingungen für diese Simulationsrechnung wird durch ein vergrößertes TLM-Gitter modelliert.

Bei den Simulationsrechnungen mit vergrößertem TLM-Gitter ist darauf zu achten, daß die einfach absorbierenden Randbedingungen in genügendem Abstand von den Leitungsstrukturen angeordnet werden. Erst wenn diese Wände soweit entfernt sind, daß ihr störender Einfluß auf die Wellenausbreitung vernachlässigt werden kann, erhält man, wie in diesem Beispiel, gute Rechenergebnisse.

2.3.4.4.8 Ergebnis der Untersuchung der Randbedingungen. Absorbierende oder abstrahlende Randbedingungen müssen zielgerichtet für die zu berechnende Struktur ausgewählt werden. Es lassen sich drei Fälle unterscheiden.

Im allgemeinen Fall ist es immer empfehlenswert, den Feldverlauf in der Nähe der Randbedingungen zu beobachten und auf unerwünschte Reflexionen zu prüfen. Durch solche Kontrollmaßnahmen ist es leicht möglich, fehlerhaft absorbierende Wände zu entdecken und eventuell zu verbessern. Stellt man beispielsweise Verzerrungen der Wellenform oder unphysikalische Reflexionen an Absorbern fest, so können durch einfaches Verschieben der Wand oder durch Verändern von Parametern der Randbedingung oft Verbesserungen erzielt werden.

2.3.4.5 Anwendung der TLM-Methode zur Simulation einer Spiralinduktivität

Die Streuparameter einer in Koplanartechnik realisierten Spiralinduktivität werden mit der TLM-Methode berechnet und mit Meßergebnissen verglichen. Simuliert wird die in Bild 2.16 gezeigte Spule mit 2,5 Windungen. Der Mittelleiter hat eine Breite von 38 Mikrometer. Der Abstand zwischen den äußeren Masseflächen beträgt 102 Mikrometer. Die Luftbrücken haben eine Höhe von 2 Mikrometer und die Leitungen in der Spule sind 4 Mikrometer breit. Für das Substrat unterhalb der Spule gilt epsilon r=12,9. Das TLM-Gitter ist äquidistant mit Delta l = 2 Mikrometer diskretisiert. Insgesamt erhält man ein Simulationsgitter mit 123 × 127 × 101 Knoten.

Abbildung 2.16

Abb. 2.16: Die Geometrie einer koplanaren Spiralinduktivität auf GaAs mit epsilon r=12,9.

Die absorbierenden Randbedingungen werden mit einfach absorbierenden Wänden realisiert. Sie sind hier, wie der Vergleich zwischen dem Simulationsergebnis und der Messung zeigt, gut als Gitterabschluß geeignet. An den Zuleitungen der Spule trifft die herauslaufende Welle senkrecht auf die Wand auf und wird gut absorbiert. Die seitlich und oberhalb der Struktur liegenden Randbedingungen sind unkritisch, da sie ausreichend weit von der Spule entfernt sind. Hier wirkt sich günstig aus, daß bei koplanaren Wellenleitern das Feld zwischen den äußeren Masseflächen und den Signalleitern konzentriert ist. Die an den äußeren Wänden mit den Randbedingungen interaktierenden Feldkomponenten sind daher sehr klein und verursachen nur minimale, vernachlässigbare Störungen.

Abbildung 2.17

Abb. 2.17: Die Gegenüberstellung der gemessenen und mit TLM berechneten Streuparameter der Spiralinduktivität.

Aus den im Zeitbereich berechneten Feldverläufen sind die frequenzabhängigen Streuparameter zu bestimmen. Dazu tastet man am Eingang und am Ausgang der Struktur jeweils eine dem Feldmodus proportionale Feldkomponente ab. Der zeitliche Verlauf des Feldes am Eingangstor Eein(t) umfaßt den einlaufenden Anregungspuls und das reflektierte Antwortsignal der Spule. Am Ausgangstor beschreibt Eaus(t) das transmittierte Signal. Zur Berechnung der Streuparameter muß der Anregungspuls von Eein(t) separiert werden. Dies gelingt mit einer Referenzsimulation. Hierzu wird ein gleichartiges Eingangsleitungsstück einer Teststruktur ohne Spule angeregt. Man erhält den Verlauf der in die Teststruktur einlaufenden Welle Eref(t), ohne Überlagerung mit reflektierten Signalen aus der Spule. Aus den drei zeitlichen Feldverläufen berechnet man die Streuparameter wie folgt:

Gleichung 2.58(2.58)

Gleichung 2.59(2.59)

wobei F die diskrete Fouriertransformation symbolisiert.

Die Spiralinduktivität wurde am Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik in Berlin gefertigt und vermessen. Die gemessenen und mit TLM berechneten Streuparameter sind in Bild 2.17 dargestellt. Die Übereinstimmung zwischen Messung und Rechnung ist sehr gut.

 


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© 1997   Bernhard Bader
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