Kapitel 2

Die TLM-Methode

TLM ist ein Zeitbereichsverfahren zur Berechnung der elektromagnetischen Wellenausbreitung in beliebigen Strukturen. Im folgenden wird ein kurzer Überblick über die TLM-Methode gegeben. In den nächsten Abschnitten dieses Kapitels werden die Einzelheiten ausführlich dargestellt.

Das hier beschriebene und in der Arbeit durchgängig verwendete TLM-Schema ist für dreidimensionale Simulationsrechnungen geeignet und arbeitet im Zeitbereich. Es basiert auf dem sogenannten symmetrisch kondensierten Knoten (SCN, symmetrical condensed node), der von Johns [2] vorgeschlagen wurde.

Die feldtheoretischen Grundlagen zur TLM wurden erst 1994 von Krumpholz und Russer in [815] vorgestellt. Die Autoren bestimmen die Streumatrix des symmetrisch kondensierten Knotens für Freiraumbedingungen. Mit Hilfe der Momentenmethode werden die zwölf Gleichungen der Streumatrix aus den Maxwell-Gleichungen hergeleitet.

Das Grundprinzip ist für alle TLM-Methoden gleich. Die Teststruktur, in der die elektromagnetische Wellenausbreitung durch TLM simuliert werden soll, wird in elementare Zellen aufgeteilt. Im Zentrum jeder Zelle sitzt ein Streuknoten. Jeder Seitenfläche der TLM-Zelle sind zwei Tore des Streuknotens zugeordnet, die über Verbindungsleitungen mit den benachbarten Zellen verbunden sind. Entlang dieser Verbindungsleitungen laufen Pulse, die durch die Tore in die TLM-Zelle einlaufen und auf den Streuknoten treffen. Dort werden die TLM-Pulse gestreut. Die gestreuten Pulse laufen aus dem Knoten heraus und breiten sich über die Verbindungsleitungen zu den Nachbarknoten aus. Hier findet wieder eine Streuung statt. Dieser Ablauf wird zyklisch wiederholt.

Abbildung 2.1

Abb. 2.1: Ein Streuknoten mit Tornumerierung in einer TLM-Einheitszelle.

Der Streuknoten besitzt zwölf Tore. Die Numerierung der Tore und die Lage des TLM-Knotens in der Zelle zeigt die Prinzipzeichnung in Bild 2.1.

Die Streuprozesse in den Zellen werden durch die Gleichung

Gleichung 2.1(2.1)

beschrieben. Dabei ist Sl,m,n die Streumatrix der Zelle l, m, n. Die Indizes l, m, n lokalisieren die Zelle im dreidimensionalen x,y,z-Koordinatensystem. Der Vektor ak,l,m,n beschreibt die in den Streuknoten einlaufenden TLM-Pulse zum Zeitschritt k. Sie werden am TLM-Knoten im Zellenzentrum gestreut und laufen, als bk,l,m,n bezeichnet, aus der Zelle heraus. Die auslaufenden TLM-Pulse gelangen entlang der Verbindungsleitungen zu den Nachbarzellen. Dort treffen die Pulse wieder auf einen TLM-Knoten und werden erneut gestreut. Die zum Zeitschritt k+1 einlaufenden Pulse sind also mit den zum Zeitschritt k auslaufenden Wellen der Nachbarzellen identisch.

Die Kombination von Streuung und Weiterleitung der TLM-Pulse bezeichnet man als TLM-Zyklus. Er wird synchron ausgeführt. Die Streuung- und Weiterleitungsoperationen finden in allen Zellen gleichzeitig statt.

In dieser Arbeit wird die Streuung als instantan angenommen. Das bedeutet, die Streuoperation benötigt keine Zeit. Die Zeit Delta t eines TLM-Zyklus wird für die Ausbreitung der Pulse entlang der Verbindungsleitungen gebraucht. Diese Annahme entspricht der Anschauung, wenn man sich den Streuknoten infinitesimal klein vorstellt und die Verbindungsleitungen den Bereich zwischen den Knoten ausfüllen. Für die theoretische Herleitung der TLM-Methode kann es jedoch günstiger sein, den Zeitschritt Delta t der Streuung zuzuordnen und die Pulsweiterleitung instantan auszuführen (siehe dazu die TLM-Herleitung von Krumpholz in [9]). Für die Anwendung der TLM ist es bedeutungslos, ob die Streuoperation oder die Ausbreitung der Pulse mit dem Zeitschritt verbunden ist.

Berechnet man die elektromagnetische Wellenausbreitung mit der TLM-Methode, so ist eine Zuordnung zwischen den TLM-Pulsen und den elektrischen und magnetischen Feldkomponenten erforderlich. Betrachtet man gleichzeitig ein- und auslaufende TLM-Pulse, so existiert eine eineindeutige Abbildung zwischen Feld und TLM-Pulsen. Bei dieser von Russer und Krumpolz in [8] eingeführten Grenzflächenabbildung sind die Feldkomponenten auf der Oberfläche der TLM-Zelle definiert. Dazu wird der räumliche und zeitliche Feldverlauf abgetastet und auf zwölf TLM-Pulse pro Zelle abgebildet. Johns hat in [2] eine andere Abbildung der TLM-Pulse vorgeschlagen. Alle Feldkomponenten sind bei seiner Betrachtungsweise im Zentrum der TLM-Zelle definiert. Da hier pro Zelle zwölf TLM-Pulsen nur sechs Abtastwerte des Feldes zugewiesen sind, erhält man, im Gegensatz zur Grenzflächenabbildung, keine eineindeutige Abbildung zwischen den Abtastwerten des Feldverlaufs und den TLM-Pulsen.

Für die TLM-Methode ist es weiterhin notwendig, dielektrische und verlustbehaftete Materialien modellieren zu können. Dazu werden im Zentrum des Knotens sechs Stichleitungen angeschlossen. Drei dieser Leitungen sind am Ende kurzgeschlossen, und drei sind im Leerlauf. Die Impedanzen der Leitungen werden durch die Materialeigenschaften bestimmt. Die Stichleitungen bewirken die medienabhängige Veränderung der Wellenausbreitung. Die Eigenschaften der Stichleitungen werden mit Matrizen beschrieben, die mit der Streumatrix des TLM-Knotens zu einer Gesamtstreumatrix zusammengefaßt den symmetrisch kondensierten Knoten mit Stichleitungen bilden. Er wird mit einer (18×18)-Matrix beschrieben (siehe Abschnitt 2.1.2).

Neben der TLM-Methode mit dem symmetrisch kondensierten Knoten existieren verschiedene andere Methoden. Bei den zweidimensionalen Verfahren unterscheidet man TLM mit Parallelknoten und TLM mit Serienknoten. Hoefer gibt in [4] eine ausführliche Darstellung des zweidimensionalen TLM. Bei den dreidimensionalen TLM-Methoden findet man den aus zweidimensionalen Parallel- und Serienknoten zusammengesetzten expandierten Knoten, den Akhtarzad und Johns in [5] einführten. Um die im Innern dieses Knotens notwendigen Pulsverzögerungen zu vermeiden, wurde der asymmetrisch kondensierte Knoten von Saguet entwickelt. Der asymmetrisch kondensierte Knoten ist in [6] dem expandierten und dem symmetrisch kondensierten Knoten gegenübergestellt. Diese TLM-Methoden sind für Zeitbereichssimulationen konzipiert. Aber auch im Frequenzbereich kann TLM angewendet werden, wie Yin und Vahldieck in [17] gezeigt haben.

Zur Untersuchung offener Strukturen im Bereich höherer Frequenzen ist die Abstrahlung in den freien Raum zu berücksichtigen. Dieses Problem wird durch absorbierende und strahlende Randbedingungen behandelt. Neben den einfach absorbierenden Randbedingungen, bei denen die TLM-Verbindungsleitungen reflexionsfrei abgeschlossen werden, und der Beschreibung der Abstrahlung mittels diskreter Greenscher Funktionen werden in dieser Arbeit auch die Absorption von elektromagnetischen Wellen in verlustbehaftetem Medium untersucht.

In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die Streumatrix des symmetrisch kondensierten Knotens, die Feldabbildung und die Impulsweiterleitung dargestellt. Die verschiedenen Randbedingungen werden untersucht. Abschließend wird das Dispersionsverhalten des TLM-Gitters gezeigt.


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© 1997   Bernhard Bader
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